Sokratische Gespräche

Sokratische Gespräche sind eine Methode des praktischen Philosophierens. Sie dienen der gemeinsamen Beantwortung von Fragestellungen, die zentral mit unserem Denken und Handeln zu tun haben. Diese Fragestellungen können ethische sein (z.B.: "In welchen Situationen darf man gesellschaftliche Normen brechen?") oder erkenntnistheoretische (z.B.: "Was erleben wir als 'Wirklichkeit'"). Auch mathematische Themen lassen sich in Sokratischen Gesprächen behandeln.

Die Grundlage für das Sokratische Philosophieren geht auf die Philosophie von Sokrates, Immanuel Kant, Leonard Nelson und Gustav Heckmann zurück. Diese Philosophie besagt unter anderem, daß das menschliche Denken und Handeln von Prinzipien geprägt ist, die Ausdruck einer in uns herrschenden "Vernunft" sind. Durch diese Prinzipien gelangen wir zum Beispiel zu ethischen Urteilen über unsere Handlungen, allerdings meist ohne daß uns dies im einzelnen bewußt ist. Oft wissen wir nur: Es war richtig oder falsch, etwas bestimmtes zu tun oder zu unterlassen, können aber die Gründe für dieses Urteil nicht ohne weiteres angeben.

Ein Sokratisches Gespräch hat das Ziel, diese Gründe und die ihnen zugrundeliegenden Vernunftsprinzipien aufzuspüren. Es geht von alltäglichen, von den Teilnehmern/innen selbst erlebten Situationen bzw. selbst durchgeführten Handlungen aus (bezogen auf das erste oben genannte Beispiel einer Fragestellung wäre dies eine Situation, in der jemand eine gesellschaftliche Norm gebrochen hat und der Meinung ist, daß dies gerechtfertigt war). Diese Alltagserfahrungen und ihre Beurteilung werden im Sokratischen Gespräch hinsichtlich der dahinter liegenden Prinzipien für unser Denken und Handeln analysiert. Das Ziel ist es dabei, zu einer von allen Teilnehmern/innen geteilten allgemeinen Aussage zu gelangen (bezogen auf das Beispiel etwa: Gesellschaftliche Normen dürfen immer dann gebrochen werden, wenn ... ). Eine solche von allen geteilte Aussage hat im Sinne des sokratischen Philosophierens den Stellenwert einer "philosophischen Einsicht" (Leonard Nelson sprach in diesem Zusammenhang noch von "allgemeiner Wahrheit", neuere Vertreter der sokratischen Methode lehnen einen solchen "Absolutheitsanspruch" jedoch eher ab).

Für die Teilnahme an sokratischen Gesprächen sind keine besonderen Voraussetzungen erforderlich. Weder philosophische noch andere wissenschaftliche Kenntnisse müssen eingebracht werden. Gustav Heckmann, der als Philosophieprofessor diese Methode im letzten Jahrhundert wesentlich geprägt hat, sagte einmal: Jeder, der denken und sprechen kann und bereit ist, unter herrschaftsfreien Bedingungen den Gründen seines Handelns auf die Spur zu kommen, kann an einem sokratischen Gespräch teilnehmen.

Die arpos Akademie bietet Sokratische Gespräche in unregelmäßigen Zeitabständen für alle Interessierten an.

Gesprächsleiter: Andreas Böttger

Wer Interesse hat, an einem Sokratischen Gespräch teilzunehmen, kann sich per E-Mail auf eine Interessenten/innen-Liste setzen. Wir nehmen dann Kontakt mit Ihnen auf.

Literatur

Heckmann, Gustav (1981): Das sokratische Gespräch. Erfahrungen in philosophischen Hochakademseminaren. Hannover: Schroedel.

Krohn, Dieter, Barbara Neißer und Nora Walter (Hrsg.) Schriftenreihe "Sokratisches Philosophieren" der Philosophisch-politischen Akademie. Frankfurt a. M.: dipa.

Nelson, Leonard (1975) [1922]: Die Sokratische Methode. In: Leonard Nelson: Vom Selbstvertrauen der Vernunft. Schriften zur kritischen Philosophie und ihrer Ethik. Hamburg: Felix Meiner.